Die Szene auf dem Rückweg vom Stadion war irgendwie sinnbildlich für das, was zuvor im Stadion selbst geschehen war: "Stolperfalle", rief ein halbstarker Effzeh-Fan und stellte einem Schalker, der vor uns lief, ein Beinchen. Dieser wankte, fiel aber nicht. Der Kölle-Fan grinste und baute sich vor ihm auf. Doch der Schalker schüttelte nur schmunzelnd den Kopf und ging weiter. Nachdem auch keiner der anderen Schalke-Fans auf seine Beschimpfungen reagierte, verloren der Rot-Weiße und seine Kumpels nach einigen Metern denn auch die Lust am Pöbeln. Die Stolperfalle wurde keine.
Provokationen, verbal und non-verbal, erlebt man nicht nur bei Auswärtsspielen in Köln. Die Situation gestern Abend ließ mich im Nachhinein auch eher schmunzeln, als dass ich mich darüber ärgerte (natürlich nur, weil nix passiert ist - und weil ich mich über solche Blödheiten eh schon sonst immer ärgere). Denn so, wie der Schalker auf der Aachener Straße sich nicht von den Mätzchen der Halbstarken einschüchtern ließ, ließ sich auch die Schalker Mannschaft im Stadion nicht einschüchtern. Dabei sah dies gerade zu Beginn ganz anders aus: die ersten knapp sechzig Minuten waren schrecklich. Uchida blieb auf rechts erschreckend schwach, viel zu oft gingen Bälle verloren, vorne lief ebenso wenig zusammen, und wer - und das waren sicher nicht wenige - mal wieder behauptet hatte, dass ohne Raúl eh nix laufe und bei so vielen Ausfällen die Schalker mit deren Verbleib in den vorderen Tabellenregionen bald nun von alleine Schluss sei, der sah sich bestätigt. Doch die wankenden Schalker der ersten Halbzeit fielen nicht. Mit Jurado kam mehr Pfiff ins Mittelfeld, Höger machte die rechte Seite dicht und konnte auch Akzente nach vorne setzen, und Marica, ja, Marica!, lief auf einmal huntelaaresk in die freien Räume und konnte die Bundesligatore 1 und 2 für Schalke erzielen.
Natürlich kann man sagen, dass es nicht immer gut gehen kann, sich 60 unterirdische Minuten zu erlauben. Natürlich habe ich am Samstag viele Dinge auf dem Platz gesehen, die mir nicht gefallen haben. Natürlich ist mir bewusst, dass es aber nun wirklich eng wird, wenn in der Abwehr noch jemand ausfällt. Aber dennoch möchte ich im Moment nicht meckern, sondern freue mir ein Loch in den Bauch. Schalke hat gerade in solchen Situationen wie jetzt, wo man wider Erwarten vorne mitmischt und dann auf einmal mit einer Sperre im Kopf, in den Beinen oder sonst wo spielt, schon oft genug "verkackt". Im Moment passiert jedoch genau das nicht. Die Mannschaft wird sicher auch noch stolpern, aber mir gefällt diese homogene Masse auf dem Platz, die auch mal eben die Ausfälle von Raúl, Jones, Holtby, Höwedes wegsteckt und nach einem Rückstand nicht auseinanderbricht.
Neun Punkte vor einem nicht-zumindest-Champions-League-Quali-Platz. Boulevard-Zeitungen, die seit Wochen eigentlich immer nur die "Bleibt Raúl?"-Story fahren können, weil eben nix an Unruhe da ist auf Schalke. Die "jungen Wilden", die auf dem Platz agieren wie alte Hasen. Nö, gemeckert wird frühestens nach dem Heimspiel gegen Mainz wieder.
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Meckern werde ich nach dem gestrigen Ausflug nach Köln auch nie mehr darüber, dass es "bei uns auf Schalke" ein zu kommerzielles und/oder showmäßiges Rahmenprogramm gibt. Gestern galt es zu ertragen: die Kiss-Cam, Chai Latte-Shirts per Katapult, Mini-Cheerleader, große Cheerleader, hyperaktive Fitnessclub-Besucher, die Zumba tanzten, Karnevalslieder und jede Menge andere Grausigkeiten, die ich bereits wieder erfolgreich verdrängt habe (abgesehen von den blöden Dingen, die auf den Videoleinwänden angeschaut werden mussten). Dagegen ist selbst die "Eye of the tiger"-Unterlegung bei der Mannschaftsaufstellung auf Schalke ein Traum.
Klasse Bericht! Aber das Rahmenprogramm hört sich ja echt grausig an!
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